Ein beschleunigter Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Deutschland ist wichtiger denn je, um die Dekarbonisierung voranzutreiben, das deutsche Energiesystem robuster aufzustellen und damit einen Beitrag zur grünen Versorgungssicherheit zu leisten. Dabei bedarf es einer geographischen Neuausrichtung der Infrastruktur für gasförmige Energie: Statt vom Osten Deutschlands in den Westen und Süden muss das Gas – bislang Erdgas, künftig Wasserstoff – von den zukünftigen Erzeugungsstandorten im Nordwesten zu den Verbrauchszentren insbesondere im Westen und Süden fließen. Das bedeutet auch, dass neue Quellen angebunden und Lücken zu bestehenden Leitungsnetzen geschlossen werden müssen. Um diesen wichtigen Prozess zu beschleunigen, haben OGE und RWE das nationale Infrastrukturprojekt „H2ercules“ entwickelt, welches Verbraucher im Süden und Westens Deutschlands mit grünem Wasserstoff aus heimischer Produktion im Norden und über Importrouten versorgen soll. Hierfür sind die bislang geplanten Elektrolyse-Kapazitäten anzubinden und weitere zu errichten. Allein die RWE hat sich vorgenommen, im Rahmen von H2ercules, bis zu 1 GW zusätzliche Elektrolyse-Kapazität zu errichten. Zur Anbindung wird durch OGE die Errichtung von 1.500 km Leitungen geplant. Dabei werden größtenteils Leitungen des bestehenden Erdgasnetzes auf Wasserstoff umgestellt, ergänzt durch Neubauten. Die Umstellung von Erdgasleitungen stellt nicht nur die kosteneffizientere Lösung dar, sondern ermöglicht auch einen schnelleren Zeitplan. Ergänzt wird das System durch die geplanten Wasserstoffspeicher der RWE.
Derzeit ist geplant, das Projekt in 3 Schritten von 2026 bis 2030 umzusetzen, um so möglichst früh Industrien an die Wasserstoffversorgung anzuschließen. Durch diese wertschöpfungsstufenübergreifende Zusammenarbeit soll das Henne-Ei-Problem im XXL-Format überwunden werden und der Weg auch für andere Projekte geebnet werden.
Als starke Unternehmen sind OGE und RWE willens, ihre Kräfte im Projekt H2ercules zu bündeln, um diese gewaltige Aufgabe zu bewältigen: Während es die Aufgabe der OGE sein wird, die benötigten Erdgasleitungen auf Wasserstoff umzustellen und neue Pipelines zu bauen, wird RWE die Elektrolyse-Kapazität aufbauen und zusätzlich grünen Wasserstoff importieren. Außerdem sollen Gaskraftwerke mit mindestens 2 GW auf Wasserstoff umgestellt, neu entstehende Wasserstoffspeicher sowie für die Wasserstoffspeicherung ertüchtigte Gasspeicher an der niederländischen Grenze an das Wasserstoffversorgungssystem angeschlossen werden.
H2ercules eröffnet zudem neue Möglichkeiten, um die künftigen deutschen Wasserstoffverbrauchszentren an wesentliche Importrouten anzuschließen – zunächst über Pipelines aus Belgien und den Niederlanden, später über Norwegen sowie aus Süd- und Osteuropa: perspektivisch auch über Importterminals für grüne Moleküle im Norden Deutschlands. Damit trägt das Projekt ganz wesentlich zum Entstehen eines europäischen Wasserstoffmarktes bei.
Erste weitere Unternehmen und Organisationen haben bereits Interesse an diesem Projekt signalisiert und es wird erwartet, dass in Zukunft nicht nur Großabnehmer profitieren werden, sondern auch kleinere Unternehmen, um so die Gesamtwirtschaft in eine dekarbonisierte Zukunft zu führen.
Die Umsetzung des Vorhabens bedarf passender Rahmenbedingungen, welche die H2ercules-Partner mit der Politik erörtern.
Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft ist kein Selbstläufer. Es gilt eine komplett neue Wertschöpfungskette in industriellem Maßstab aufzubauen. Das braucht einen politischen Rahmen, der Leitplanken für einen künftigen Wasserstoffmarkt setzt, gleichzeitig aber auch Anreize mitbringt, in die notwendigen Technologien und Anlagen auf den verschiedenen Wertschöpfungsstufen zu investieren. Die Herausforderung: Fehlt ein Baustein oder setzt ein Baustein den Rahmen zu eng, droht der gesamte Hochlauf zumindest teurer zu werden oder aber sich deutlich zu verzögern.
Wesentliche Erfolgsfaktoren sind:
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1. Wasserstofferzeugung
- Zügiger Ausbau von Erneuerbaren Energien (EE), insbesondere durch Reservierung von Offshore-Stromerzeugung für Elektrolyse und Umsetzung 2%-Flächenziel.
- Festlegung von pragmatischen Strombezugskriterien für Elektrolyseure mit einem perspektivisch neuen Ansatz bei der Revision der Erneuerbare Energien-Richtlinie, z.B. durch Berücksichtigung des Grünstrombedarfs in den Nationalen Ausbauzielen. Zudem Sicherstellung der Anrechenbarkeit des Wasserstoffs auf Klimaziele.
- Investitionsförderung für Elektrolyseure zur Wasserstofferzeugung.
- Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien und für Elektrolyseure, z.B. durch angepasste Regelwerke sowie die Schaffung zentralerer und spezialisierterer Genehmigungsbehörden erreichen.
- Förderung und Ausbau von Offshore-Elektrolyse/Offshore-to-X durch gesonderte Ausbauziele und Ausschreibungsverfahren (H2 CfD).
- Beschleunigter Ausbau der Stromnetze, u.a. durch Vorziehen der Netzanbindung von Offshore-Windparks.
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2. H2-Netz-Aufbau
- Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für neue Infrastruktur und Umstellung bestehender Leitungen.
- Gemeinsame Entgeltregulierung für Erdgas und Wasserstoff, um eine übermäßige Kostenbelastung von Pionierkunden im Wasserstoffnetz zu vermeiden und Wasserstoffnetzbetreibern Investitionssicherheit zu geben.
- Alternativ: Kurzfristige Absicherung des Amortisations- und Ausfallrisikos durch den Bund.
- Unveränderter Bestand des bewährten ITO Betreibermodells und Gültigkeit für Wasserstoffnetzbetreiber.
- Beseitigung der im aktuellen Gasmarktpaket vorgesehenen Hürden zum informatorischen Austausch und zum horizontalen Unbundling von Erdgas- und Wasserstoffnetzbetreibern.
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3. Förderung der Wasserstoffnachfrage
- Einführung von (C)CfDs für Wasserstoff in der Industrie: Schnelle Durchführung von Ausschreibungen bzw. Vergabeverfahren
- Schaffung von Leitmärkten für wasserstoffbasierte Produkte (u.a. durch Quoten oder öffentlichen Beschaffungswesen)
- Sicherstellung der Anrechenbarkeit von Wasserstoff auf Klimaziele
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4. H2-ready/ H2-capable Kraftwerke
- Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung sowohl für Gas- wie auch für Wasserstoffbetrieb
- Politische Sicherheit, dass H2-ready/ H2-capable Kraftwerke ausreichend gefördert werden (Kohleersatzbonus als Investitionszuschuss upfront, Umsetzung Taxonomie-Kriterien, Kapazitätsmarkt/Sicherstellen des Einsatzes von H2 über CfDs für H2-Einsatz, Ausgleich etwaiger höherer Kosten H2 gegenüber Erdgas/CO2)
- Sicherstellung Netzanschluss
- Forschung und Entwicklung (F&E) sollten gefördert werden, damit die Entwicklung von Wasserstoff- sowie H2-Derivate-Turbinen sowie ihr Einsatz schnellstmöglich vorangetrieben wird.
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5. Speicher
- Finanzielle Förderung von Speicherneubau und Speicherumrüstung.
- Regelungsklarheit und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für neue Infrastruktur und Ertüchtigung bestehender Erdgasspeicher zur Speicherung von Wasserstoff.
- Einbindung in die Netzentwicklungsplanung und Sicherstellung eines Netzanschlusses.